Hans-Christian Sanladerer in Venedig beim Urban Sketching

Hans-Christian Sanladerer im Kurzinterview

Heute stelle ich Dir den Zeichner Hans-Christian Sanladerer in meiner kleinen Interviewreihe vor. 

Er war außerdem mein Gast in Folge 98 meines Podcasts. Die Folge findest Du am Ende des Interviews (oder überall, wo es Podcasts gibt)!

1. Wer bist Du und was machst Du?

Ich bin – als studierter Grafik-Designer und Illustrator, früherer Cartoonist und Karikaturist – heute leidenschaftlicher Zeichner, Maler, Sketcher, Autor und Dozent. Kreativ war ich schon immer. Auf einigen Umwegen landete ich bei meinem heutigen Traumjob: Ich gebe Workshops (offline, wie online), leite Malreisen im In- und Ausland und schreibe Bücher zu meinen Themen.

Hans-Christian Sanladerer 2024 in Venedig beim eigenen Urban-Sketching-Workshop.

Hans-Christian Sanladerer 2024 in Venedig beim eigenen Urban-Sketching-Workshop. (Foto: Beate Sanladerer)

2. Nenne drei Gründe, warum Dich das Malen und Zeichnen so fesselt.

Im täglichen Skizzieren steckt viel Lebensenergie. Mich hat es in Rekordzeit aus einer Lebenskrise geholt und mir neuen Auftrieb und Kraft gegeben.

Skizzieren findet im Hier und Jetzt statt und lässt Dich alles andere vergessen. Du ärgerst Dich über die Steuernachzahlung? Skizziere! Du hast einen Bußgeldbescheid bekommen? Skizziere!

Eine Gondelwerft in Venedig, gesehen und gezeichnet von Hans-Christian Sanladerer

Eine Gondelwerft in Venedig, gesehen und gezeichnet von Hans-Christian Sanladerer

Als skizzierender Mensch kommst Du ganz leicht mit anderen Menschen in Kontakt, wirst neugierig angesprochen. Als zeichnender Tourist wirst Du von den Einheimischen ganz anders – wohlwollend und wertschätzend – wahrgenommen, schließlich nimmst Du Dir viel Zeit, deren Heimat mit Stift, Pinsel und Farbe im Skizzenbuch festzuhalten.

Hans-Christian Sanladerer Skizze zu "Giudecca" in Venedig

Hans-Christian Sanladerers Skizze zu „Giudecca“ in Venedig

Das Tolle an einer Skizze: sie speichert den Moment, der auch nach Jahren noch abrufbar bleibt. Wie ein Duftfetzen der Dich schlagartig in die Kindheit zurückreisen lässt, katapultiert Dich Deine Skizze in die jeweilige Situation zurück.

Du erinnerst Dich an alles, was rund ums Skizzieren passierte, an die Menschen, die Dich begleiteten, die Gespräche, die Düfte, die Temperatur, die Umgebung. Das schafft kein Foto-Schnappschuss.

Hans-Christian Sanladerers Skizze zum "Haus der Geschichte" in Wien

Hans-Christian Sanladerers Skizze zum „Haus der Geschichte“ in Wien

3. Gibt es Rituale bei Dir, um in den kreativen Flow zu kommen?

Ich hatte mir ganz zu Beginn auferlegt, täglich fünf Skizzen zu machen. Das klappte im Durchschnitt auch und ließ mich dranbleiben.

Ich brauche aber kein Ritual, um in den Flow zu kommen. Einfach anzufangen reicht. Sobald die ersten Striche auf dem Papier sind und es einigermaßen läuft, komme ich in den Flow. Allerdings heißt mein Credo: „Kein Tag ohne Skizzenbuch“.

Mein „Ritual“ ist also das regelmäßige, tägliche Skizzieren.

Hans-Christian Sanladerer draußen beim Skizzieren.

Hans-Christian Sanladerer draußen beim Skizzieren. (Foto: Beate Sanladerer)

4. Welchen Tipp hättest Du gern Deinem jüngeren Ich gegeben?

Oh, da hätte ich einige, die den Raum hier sprengen würden.
Vor allem aber: Lass den Verstand noch so laut rufen! Höre stattdessen auf Dein Herz und auf Deinen Bauch.

Mach das, wofür Du wirklich brennst und setz Deine ganze Energie – fokussiert – dafür ein. Vergiss dabei nicht zu leben und ordentlich Spaß zu haben. Lass es krachen, Du bist nur einmal jung!

Geh raus uns zeichne! Jahrelang stand ich mir nämlich selbst im Weg: „Da könnte ja jemand kommen und drauf schauen und einen Kommentar abgeben!“ – Unnötiges Kopfkino! Stattdessen rein ins „kalte Wasser“ und MACHEN! JETZT.

5. An welchem aktuellen Projekt sitzt Du gerade?

Wenn ich gerade mal KEINE Workshops gebe, arbeite ich an neuen Workshop-Konzepten, halte Ausschau nach neuen Orten und plane weitere Bücher.

Doppelseite aus dem Skizzenbuch Hans-Christian Sanladerer: Szenen aus Venedig

Doppelseite aus dem Skizzenbuch Hans-Christian Sanladerer: Szenen aus Venedig

Außerdem wünsche ich mir weitere Kooperationen mit neuen Partnern.

Gemeinsame Workshops mit interessierten Kolleginnen und Kollegen wären auch toll.

6. Warum bist Du so begeistert vom Urban Sketching?

Urban Sketching verbindet Menschen weltweit. Es kann Sprachbarrieren überwinden. Das merkt man bei großen USK-Treffen, wie gerade beim Deutschland-Treffen in Leipzig. Es ist eine ganz wunderbare Möglichkeit, um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.

Mt Zeichenbrett und Skizzenbuch unterwegs in Venedig

Mt Zeichenbrett und Skizzenbuch unterwegs in Venedig (Foto: Kirsten Bruns)

Wenn ich zum Beispiel in Leipzig bin, kontaktiere ich kurz meinen Zeichnerkollegen @sketchermax und wir verabreden uns zum gemeinsamen Skizzieren. Er informiert die USK-Gruppe und schon kommen weitere hinzu. Das ist ganz spontan und einfach toll.

Skizzieren kann man immer und an jedem Ort, denn „Motive sind überall“. Es gibt keine ungenutzte Wartezeit mehr, sondern kreativ genutzte Auszeit, wenn man wie ich immer einen Bauchbeutel mit mindestens einem A6-Skizzenbuch und ein paar Stifte dabei hat.

7. Hast Du kreative Vorbilder, wer oder was inspiriert Dich?

Vorbilder im Sinne von „Idolen“ habe ich nicht, aber es gibt Zeichner/Gestalter, die mich beeindrucken.

Allen voran Horst Janssen, den ich für den begnadetsten Zeichner überhaupt halte. Sein lockerer, kraftvoller Strich ist unvergleichlich.

Joe Ciardiello, einen New Yorker Illustrator, der sehr viel Weiß stehen lässt, habe ich während des Studiums in New York entdeckt. Heute sind wir auf Instagram vernetzt.

Milton Glaser, der auch das „Windows on the World“, das Restaurant in einem der Twin Towers, gestaltet hatte, beeindruckt mich aufgrund der Bandbreite seiner kreativen Arbeit.

8. Wie schaffst Du es soooo viele Kurse im Jahr zu geben?

Ganz einfach: durch (un)geschickte Planung, gepaart mit ungezügelter Leidenschaft und Begeisterung. Ich plane immer wahnsinnig viel, weil ich denke, dass nur ein Bruchteil davon stattfinden wird. Dieses Jahr kam (fast) alles zustande und ich dachte zeitweise: „Wer zum Kuckuck hat DAS geplant!?“

Machmal renne ich nachts, wenn ich raus muss, in die Wand, weil das Bett im letzten AirBnB noch auf der anderen Seite stand.

Das kommende Jahr ist wieder genauso „geschickt“ geplant! An eines denke ich jedenfalls nicht: Ruhestand! Ein absolut gruseliges Wort, denn ich habe noch viel vor. 60 ist 2 x 30! 🙂

Skizze von Hans-Christian Sanladerer aus dem Eisenbahnmuseum in Leipzig

Skizze von Hans-Christian Sanladerer aus dem Eisenbahnmuseum in Leipzig

9. Auf welches Projekt, das Du verwirklicht hast, bist Du besonders stolz?

„Stolz“ bin ich darauf, mich jenseits von 50 Jahren beruflich nochmal komplett neu erfunden und meinen Traumjob gefunden zu haben. Dass meine Frau und Tochter mich dabei immer – moralisch – unterstütz(t)en, ist ein Glück, das mich dankbar macht.

Ausserdem war ich mehrfach im Leben kompletter Quereinsteiger (Magazin-Designer, Atelierleiter in der Tapetenentwicklung, Online-Redakteur), habe mich neuen Herausforderungen gestellt und sie gemeistert. Ich finde, darauf darf man auch ein bisschen stolz sein.

Der "Campo dan Trovaso" in Venedig, gesehen und gezeichnet von Hans-Christian Sanladerer

Der „Campo San Trovaso“ in Venedig, gesehen und gezeichnet von Hans-Christian Sanladerer

10. Welches Buch/Podcast/kreatives Werk hat Dich in letzter Zeit nachhaltig beeindruckt und warum?

Das ist ja jetzt fast meine Lieblingsfrage und ich vermute, Du kennst die Antwort bereits. Auch wenn das jetzt wirkt „wie bestellt“, schwöre ich, dass es das nicht ist und ich nichts dafür bekomme: Ich liebe es einfach, Deinen Podcast-Folgen von „Der kreative Flow“ zu lauschen.

Ich mache das fast ausschließlich während meiner langen Autofahrten kreuz und quer durch Deutschland. Früher nervte mich die Aussicht, acht Stunden unterwegs zu sein, heute freue ich mich drauf, dass beim Hören der spannenden Podcast-Themen die Zeit wie im Flug vergeht.

Ich danke Dir dafür. Mach bitte weiter so!

Ein Buchtipp für alle, die entgegen allen Widerständen ihren Traum wahr werden lassen wollen: „You Do You“ von Danny Gregory. Unterhaltsam, humorvoll und autobiografisch beschreibt der Mit-Begründer der SketchbookSkool, wie man es schafft, den inneren Schweinehund zum Schweigen zu bringen und sein Ding zu machen, egal welche Hindernisse einem unterwegs begegnen.

Ausserdem liebe ich das Otto-Modersohn-Museum in Fischerhude, das ich nächstes Jahr im Rahmen meines Worpswede-Workshops wieder besuchen werde. Dort wechseln sich die beeindruckenden Landschafts-Frühwerke des Malers mit den raumhohen Ausblicken in die ihn inspirierende Landschaft ab. Ein tolles Museumskonzept an einem wunderschönen Ort. Ich freu mich drauf und auf alles, was noch kommt!

 

Danke für das schöne Gespräch, lieber Christian!

 

Die Antworten, die Du hier lesen kannst, sind kein Transkript aus der besagten Folge, sondern ein Bonus! Es lohnt sich also unbedingt, den Podcast mit Christian und mir anzuhören.

 

 


Dieser Artikel ist eine Ergänzung zum Interview mit Hans-Christian Sanladerer  in meinem Podcast «Der kreative Flow».
Hier kannst Du Dir Folge #98 direkt anhören:
Cover Podcast "Der kreative Flow"

 

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