
24 Feb. Gerda Raidt im Kurzinterview
Heute stelle ich Dir die Illustratorin Gerda Raidt in meiner kleinen Interviewreihe vor.
Sie war außerdem mein Gast in Folge 97 meines Podcasts. Die Folge findest Du am Ende des Interview-Textes (und überall, wo es Podcasts gibt)!
1. Wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Illustratorin, meist von Kinderbüchern. Seit einigen Jahren betätige ich mich auch als Autorin.
Ich schreibe und zeichne selbst erdachte Kinderbücher, reise mit Lesungen herum und gebe gelegentlich Kinderbuchworkshops.

Gerda an ihrem Arbeitsplatz
2. Was fasziniert Dich an Deinem Job am meisten?
Seitdem ich auch Autorin bin und Lesungen mache, komme ich direkt mit dem Publikum in Kontakt. Ich erlebe dann also die Reaktionen auf meine Arbeit, was als Illustratorin leider nicht der Fall war. Ich habe erlebt, dass ich mich mit meiner Arbeit anderen mitteilen und Menschen berühren kann. Das ist für mich eigentlich das Beste.
3. Gibt es Rituale bei Dir, um in den kreativen Flow zu kommen?
Routine. Eigentlich kommt am meisten heraus, wenn ich mich jeden Tag zur gleichen Zeit (gleich früh am Morgen) an den Schreibtisch setze und loslege. Bis zum Mittag ist dann schon viel geschafft. Emails und Verwaltungskram sollte ich immer erst nachmittags angehen, wenn ich schon ein bisschen erschöpft bin. Und das möglichst über Wochen am Stück.
So hab ich mich über Jahre in den Familienalltag mit Kindern eingetaktet. Gegen 4 hab ich dann Feierabend gemacht, so wie viele Angestellte. Leider ist meine Arbeitszeit durch die Lesungs- und Workshopsachen ganz schön zerpflückt und das Mailaufkommen sehr erhöht. Ich ringe deswegen immer um diese routinierte, ungestörte Arbeitszeit am Stück. Aber dieses Problem kennen ganz viele.

Zeichnung von Gerda Raidt für eins ihrer Bücher.
4. Welchen Tipp hättest Du gern Deinem jüngeren Ich gegeben?
Mehr Selbstvertrauen haben. Ich hab definitiv zu spät damit begonnen, meine eigenen Bücher zu schreiben. Das war so eine merkwürdige verinnerlichte Hürde, die man nicht genau greifen kann.
5. An welchem aktuellen Projekt sitzt Du gerade?
Ich sitze wieder an einem Buch, das mit Text und Bild erzählt. In jedem neuen Buch stecken dann auch die Erfahrungen vom letzten. Man kann es also immer ein bisschen anders und hoffentlich besser machen.
6. Wie kam es dazu, dass Du auch Bücher schreibst und nicht mehr nur illustrierst?
Ich hatte bei manchen Texten, die ich illustrieren sollte, das starke Gefühl, das kann ich auch und vielleicht sogar besser. Weil ich ja eben diese Zeichner-Perspektive habe und weiß, was sich auf Bildern, z.B. in einem Bilderbuch, gut zeigen lässt und was eher nicht.
Was langweilt (z.B. alle Szenen spielen in einem einzigen Raum) oder sich schlecht darstellen lässt (z.B. ganz große und winzig kleine Sachen zusammen auf einem Bild. Oder ganz viele Personen, die durch sämtliche Bilder bewegt werden sollen. Oder ganz viele Personen, die möglichst die gesamte Vielfalt der Bevölkerung verkörpern sollen. Möglichst alles im schmalen Hochformat des Textblocks.)

Gerda Raidt bei einem Workshop mit Buchlesung in einer Schule. (Foto: privat)
Manchmal gibt es nervige Verpflichtungen („Er hatte 99 Beine“). Und oft gibt es bei Text/Bild aus verschiedenen Händen auch Redundanzen, die ich schade finde („Er trug eine blaue Weste“).
Autoren wissen manchmal nicht, was Bilder können und sehen das so als nachgeordnete Dienstleistung. Sie erwarten, dass jemand treuherzig abbildet, was sie sich Tolles ausgedacht haben und überschätzen dabei ihre Leistung und unterschätzen die der Illustratorin.
Aber die Bilder sprechen ebenso wie der Text, manchmal sind sie sogar wichtiger.Dramaturgie hat mich auch schon immer interessiert und dazu hab ich mich mehr belesen.
Ich lese viel und schreibe gern. Mit Sprache umzugehen, mich damit auszudrücken, macht mir Freude. Und Ideen hab ich auch selbst. Dieses Hirnareal ist durch unsere Kreativausbildung stark ausgeprägt, würde ich behaupten. Ideen sind kein Problem. Schließlich hab ich mich aus dem Illustrationsjob irgendwie rausgewachsen gefühlt.
Schreiben geht zudem recht schnell, Bücher illustrieren dauert oft relativ lange. Ich möchte meine Lebenszeit und mein ganzes Können jetzt lieber nur noch in meine eigenen Bücher stecken, als sie jemand anderem zur Verfügung zu stellen.

Gerda besucht oft Schulen und berichtet dort von ihrer Arbeit als Illustratorin. Hier zu sehen an einem Whiteboard einer Schule. (Foto: Gerda Raidt)
7. Hast Du kreative Vorbilder, wer oder was inspiriert Dich?
Ich habe wechselnde Vorbilder. Nach dem Studium habe ich den Schweizer Illustrator Alois Carigiet entdeckt. Der ist immer noch wichtig für mich, würde ich sagen.
Bei Büchern von William Steig habe ich entdeckt, was es für ein große Spaßfaktor ist, wenn die Figuren exakt das machen, was im Text steht und alle auf dem Bild genau richtig gucken.
In der Zeit, als ich gerne selbst schreiben wollte aber das aus unerklärlichen Gründen nicht getan habe, fielen mir Bücher von der amerikanischen Illustratorin und Autorin Maud Hart Lovelace in die Hände, die im frühen 20. Jahrhundert genau diesen Weg gegangen ist. Das war auch irgendwie wichtig für mich. Wichtig war auch zu sehen, dass Bilder nicht unbedingt zeichnerische Perfektion brauchen, sondern das Erzählen, also die Dramaturgie ein ganz großer Teil der Miete ist.
Ich akzeptiere alle möglichen auch spröden Bildsprachen, wenn die Geschichte mich berühren kann. Das ist mir zum Beispiel mit „Persepolis“ von Marjane Satrapi damals so gegangen.
Umgekehrt berühren mich handwerklich perfekte Bilder mit nicht perfekter Geschichte oft nicht. Sobald der Verdacht der Selbstgefälligkeit aufkommt, bin ich raus.
Bücher macht man FÜR ANDERE. Es muss der Wille im Vordergrund stehen, sich anderen mitzuteilen. Nicht unbedingt der Wille, sein Können darzustellen.
8. Welches Thema würde Dich noch reizen, für ein Buchprojekt zu bearbeiten?
Ich habe noch ein paar in der Schublade. Das übernächste Buch ist schon angedacht. Es sind meist solche, wo man in Text/Bild erzählt und damit was ausprobieren kann. Die reiche ich meist mündlich bei Verlagen ein. Ich will aber auch gerne mal wieder ein erzählendes Kinderbuch fertig schreiben und erst dann einreichen.
Mein Traum ist, mir dafür mal richtig ungestörte Zeit einzuräumen. Vielleicht über ein Stipendium. Ist aber schwierig umzusetzen. Ich bin immer schon lange im Voraus ganz kleinteilig aus geplant.
9. Auf welches Projekt, das Du verwirklicht hast, bist Du besonders stolz?
Auf mein jüngstes eigenes Buch: „Wie ein Vogel“.
10. Was inspiriert Dich?
Mir fällt auf, wie wichtig Kunst ist. Wir leben in anstrengenden Zeiten. Man braucht was, womit man in Resonanz gehen kann.
Die Natur ist zunehmend ein Sorgenkind, es fällt mir schwer, das auszublenden und mich da nur zu erholen.
Aber ich gehe manchmal richtig auf in Kunsterlebnissen und erfreue mich daran, dass wir uns so über Zeiten und Distanzen hinweg einander mitteilen können.
Danke für das schöne Gespräch, liebe Gerda!
Die Antworten, die Du hier lesen kannst, sind kein Transkript aus der besagten Folge, sondern ein Bonus! Es lohnt sich also unbedingt, den Podcast mit Gerda und mir anzuhören.
Dieser Artikel ist eine Ergänzung zum Interview mit Gerda in meinem Podcast «Der kreative Flow».
Hier kannst Du Dir Folge #97 direkt anhören:
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